Digitalisierung, Dekarbonisierung und die Lösung immer neuer Krisen erfordern mehr Schnelligkeit von Unternehmen und Verwaltung. Solo-Selbstständige liefern das nötige Know-how, um den Wandel in Gang zu bringen. Wenn man sie denn lässt.
Ein Katalysator löst eine bestimmte Entwicklung aus oder beschleunigt sie. Er liefert zum Beispiel die nötige „Aktivierungsenergie“, um bestimmte chemische Reaktionen auszulösen. Ähnlich ist es mit Solo-Selbstständigen und der deutschen Wirtschaft: Um Herausforderungen zu bewältigen, wie sie zum Beispiel Klimawandel und Künstliche Intelligenz stellen, brauchen Unternehmen und Staat externe Unterstützung.
Solo-Selbstständige und andere externe Experten sind laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) solche „Katalysatoren des (digitalen) Wandels“ (zusammenfassender Aufsatz). Sie sind schnell verfügbar, können gezielt einen zeitlich begrenzten Bedarf decken und bringen spezifisches Know-how mit, das den eigenen Beschäftigten fehlt. Außerdem (und das ist in Phasen des Umbruchs ebenfalls wichtig) leisten sie eine „Versicherungsfunktion“ im Sinne einer Reduktion von unternehmerischen Risiken und Unsicherheiten: Nicht für jeden, möglicherweise nur temporären, Bedarf muss gleich ein neuer Mitarbeiter angestellt werden. Dafür erhalten Selbstständige in der Regel eine Risikoprämie: Nur bei einem Drittel der Auftraggebern spielt auch die Einsparung von Arbeitskosten eine Rolle.
Auftraggeber befragt
Das IW hat für die heute erschienene Studie im Frühjahr und Sommer 2022 (29. und 30. Welle) das aus Personalverantwortlichen bestehende IW-Personalpanel befragt, also die Auftraggeber der Selbstständigen. Aufgrund der Zusammensetzung des Panels sind auch die Studienergebnisse selbst repräsentativ für Deutschland. Die Studie entstand im Auftrag des VGSD, der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. – sowie des Bundesverbands für selbstständige Wissensarbeit e.V. Unser Vereinsmitglied Hendrik Schäfer hat dazu den Anstoß geliefert und sich an der Finanzierung beteiligt.
Zwar gibt es Studien wie die des ifo Instituts, die gezeigt haben, dass selbstständige Wissensarbeiter einen erheblichen positiven Einfluss auf das Wirtschaftswachstum haben. Der Autor, Professor Oliver Falck, spricht von einem Wachstumsimpuls, der sich langfristig auf 243 Milliarden Euro aufsummiert. Aber bisher war wenig darüber bekannt, worin dieser ökonomische Beitrag und Wirkmechanismus genau besteht. Mit der vorliegenden Studie will das IW diese Lücke füllen.
https://youtu.be/-BRnVw3zxsM
Professor Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, geht im obigen Video auf die Frage ein, warum Unternehmen Solo-Selbstständige beauftragen, in welchen Bereichen sie sie einsetzen und welche wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen er aus der Studie zieht.
IT ist wichtiger Einsatzbereich
Auffällig: Vier von zehn Unternehmen, die Solo-Selbstständige beauftragen, setzen diese in der IT ein, bei Angestellten von Dienstleistern sind es drei von zehn. Im Vergleich zu Werkvertragsmitarbeitern besonders häufig eingesetzt werden Solo-Selbstständige auch in den folgenden Bereichen:
- Management-/Geschäftsführungsfunktionen (Stichwort „Interim-Manager“)
- Personalwesen/Gesundheit
- Buchhaltung/Finanzen
- Forschung und Entwicklung
- Marketing/ Social Media
47,2 bzw. 51,3 Prozent der Unternehmen, die Solo-Selbstständige bzw. Mitarbeiter von Dienstleistern einsetzten, taten dies auch im Produktionsbereich, wobei damit keine Aussage über die Anzahl der Mitarbeiter getroffen wird. Das IW Köln vermutet, dass es hier vor allem um die Behebung akut auftretender Störungen geht. Ein Beispiel hierfür sind externer IT-Support sowie Leistungen von Handwerkern und Technikern.
Übrigens: Der Einsatz von Solo-Selbstständigen erfolgte sehr viel häufiger remote als vor Ort: 35 Prozent (Mitarbeiter von Dienstleistungsunternehmen: 16 Prozent) arbeiten überwiegend außer Haus, nur 16 (bzw. 25) Prozent waren überwiegend im Betrieb des Auftraggebers tätig.
Solo-Selbständige arbeiten sich schnell in neue Technologien ein und geben dieses Wissen weiter
Beim Einsatz im IT-Bereich geht es für die Auftraggeber besonders häufig darum, durch die externen Experten Zugang zu spezifischem Wissen zu erhalten. Dabei gibt es laut Studie eine gezielte Arbeitsteilung zwischen Solo-Selbstständigen und den Angestellten größerer Dienstleister. Letztere implementieren eher etablierte Technologien wie Cloud-Anwendungen, digitale Vertriebstools (z.B. CRM), Big-Data-Analysen oder auch moderne additive Fertigungsverfahren (3D-Druck).
Solo-Selbstständige sind schneller darin, sich in neue und auch neueste Technologien einzuarbeiten. So geht ihr Einsatz zum Beispiel hochsignifikant mit der Einführung von Künstlicher Intelligenz oder virtueller Realität im Kundenunternehmen einher.
Rechtsunsicherheit könnte Wettbewerbsfähigkeit und damit Arbeitsplätze bei Auftraggebern kosten
„Die schnelle Implementierung neuer Technologien ist Voraussetzung, um auf den nötigen Wandel sowie Krisen schnell reagieren zu können und so Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland zu sichern. Durch die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz werden viele qualifizierte Arbeitsplätze wegfallen. Genauso viele werden entstehen, oft qualifiziertere und besser bezahlte. Es ist aber nicht selbstverständlich, dass diese auch in Deutschland entstehen. Wir Solo-Selbstständigen können hierzu entscheidend beitragen, man muss uns allerdings auch lassen“, sagt VGSD-Vorstand Andreas Lutz.
Zu den größten Hemmnissen für den Einsatz von Solo-Selbstständigen zählen laut Studie unter anderem rechtliche Unsicherheiten mit einem Anteil von 35 Prozent und hohe Compliance-Anforderungen mit einem Anteil von 28 Prozent.
Dazu Lutz: „Seit fast zehn Jahren schwebt über hochqualifizierten Solo-Selbstständigen das Damoklesschwert der Scheinselbstständigkeit, ihren Auftraggebern drohen hohe Strafen. Diese Unsicherheit erschwert den Einsatz von Solo-Selbstständigen und führt dazu, dass innovative Projekte immer häufiger im Ausland stattfinden.“
Auftraggeber von „Solos“ setzen mehr moderne Technologien ein und erwarten mehr Wachstum
Die Studie zeigt auch: In den Unternehmen, in denen externe Experten tätig werden, sind in den vergangenen beiden Jahren mehr moderne Technologien in die Arbeitsabläufe integriert worden als anderswo. Die Effektivität und damit Wettbewerbsfähigkeit der Kundenunternehmen ist somit gestiegen, die Arbeitsplätze sicherer geworden. Die Externen waren Katalysator für Transformationsprozesse. Den operativen Betrieb weiterbegleitet und schrittweise optimiert haben dagegen in der Regel die Angestellten des Unternehmens.
Signifikant verbunden war der Einsatz von Solo-Selbstständigen unter den Befragten zudem mit der Erwartung, dass sich Auftragsbestände, Umsätze und Beschäftigtenzahlen im Befragungsjahr erhöhen werden (elf Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit). Auch höhere Investitionen wurden erwartet (neun Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, wenn auch nicht signifikant). Es gab zudem Anzeichen dafür, dass in der Vergangenheit weniger erfolgreiche Unternehmen nach Einsatz von Solo-Selbstständigen zurück auf die Erfolgsspur fanden.
Solo-Selbstständige stehen nicht in Wettbewerb zur Kernbelegschaft
Bei Unternehmen, die Solo-Selbstständige einsetzten, lag die Erwartung, Kundenbeziehungen neu zu gestalten und Abteilungen zu reorganisieren, um jeweils 16 Prozentpunkte und damit signifikant höher. Das deutet auf die Schaffung digitaler Prozesse, insbesondere im Vertriebsbereich, hin.
Signifikant (um 15 Prozentpunkte) häufiger gaben solche Unternehmen zudem an, in den letzten zwei Jahren Produktinnovationen vorgenommen zu haben sowie Prozessinnovationen (elf Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht signifikant).
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Solo-Selbstständige der Kernbelegschaft keine Konkurrenz machen, sondern ihr Einsatz eher damit verbunden ist, Personal aufzubauen.
vbw-Hauptgeschäftsführer sieht Bedarf, bei Rechtsunsicherheit gegenzusteuern
Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Zugleich bestehen massive Engpässe bei Fachkräften mit Digitalisierungskompetenz. Diese sind eines der größten Hindernisse für eine erfolgreiche Transformation.
„Digitalisierung, demographischer Wandel, Dekarbonisierung und immer neue Krisen erfordern Flexibilität und Schnelligkeit von Unternehmen und Verwaltung“, fasst vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt die Ergebnisse der Studie zusammen. „Solo-Selbstständige und andere externe Experten leisten einen entscheidenden Beitrag bei der Bewältigung dieser Herausforderungen. Sie stehen zu Unrecht unter Generalverdacht. Es besteht die Gefahr, dass die bestehende Rechtsunsicherheit die Digitalisierung und Transformation in Deutschland an dieser Stelle ausbremst. Hier müssen wir gegensteuern“.
Zur gemeinsamen Pressemitteilung von VGSD und vbw
Textbeitrag: Dr. Andreas Lutz, Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD) e.V.