Mascha Thomas-Riekoff ist Netzwerkerin, Kulturproduzentin und Koordinatorin im Digitalen Innovationszentrum (DIZ) in Schwerin . Im Interview erzählt sie, warum dieser Ort für Mecklenburg-Vorpommern enorm wichtig und zukunftsweisend ist.
Ministerium und Stadt als Träger
Im Herbst 2019 wurde das Digitale Innovationszentrum im Herzen Schwerins in der Wismarschen Straße eröffnet – im historischen Gebäude einer ehemaligen Klavierfabrik. Zuletzt hatte hier im Perzina-Haus die Bibliothek ihren Sitz.
Digitaler Wandel trifft Verwaltung
Das Digitale Innovationszentrum wird vom Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern finanziert und von der Stadt Schwerin getragen. Mascha ist bei der Stadt Schwerin angestellt, zunächst zeitlich befristet. Doch sie ist überzeugt, dass DIZ eine Zukunft hat bzw. auch braucht, um die BewohnerInnen des Bundeslandes MV fit zu machen für die kommenden Herausforderungen. Neben dem DIZ in Schwerin sind fünf weitere digitale Zentren als Ideenschmieden entstanden: in Rostock, Stralsund, Wismar, Neubrandenburg und Greifswald, angebunden an die jeweiligen Hochschulen vor Ort. Ihre Aktivitäten werden auf der eigenen Website digitalesmv präsentiert.
Zum Auftakt fand im November 2019 an allen sechs Zentren erstmals der landesweite Kongress NØRD statt. Neben Technologien und neuen Anwendungsfeldern ging es auch um ethische Fragen und um soziale Innovationen im Hinblick auf die Digitalisierung. Im DIZ in Schwerin stand das Thema „Digitaler Wandel trifft Verwaltung“ im Fokus. Dies wird auch weiterhin ein thematischer Schwerpunkt sein. Nicht allen Menschen fällt es leicht, bei technischen Veränderungen, wie der Einführung neuer Software Schritt zu halten. Hier können andere Perspektiven und innovative, künstlerisch-kreative Methoden wertvolle Unterstützung leisten.
© MassivKreativ
Interdisziplinär unterwegs sein
Für die neuen Projekte im Digitalen Innovationszentrum (DIZ) in Schwerin stehen mehrere Bereiche zur Verfügung, wie Mascha erklärt: „Wir haben neben dem großen Saal einen Coworking-Space, einen Meetingraum, einen Seminar- bzw. Design Thinking-Raum. Das Innovationszentrum ist also eine interdisziplinäre Werkstatt und Denkfabrik, in der man Ideen spinnen, spielen und ausprobieren kann. Es können und sollen Akteure aus ganz verschiedenen Bereichen aufeinander treffen, sich gegenseitig inspirieren und beflügeln: Handwerk, Ingenieurs- und Medizintechnik, Landwirtschaft, Verkehr, Mobilität, Verwaltung, Kreativwirtschaft.“
MeetUp im DIZ © Landeshauptstadt-Schwerin
Gründer Studio
Ein besonderes kokreatives Angebot ist das Gründer Studio. Es bietet interessierten Akteuren nicht nur Zugang zum Innovationsräumen in Schwerin, sondern zu allen sechs Innovationsräumen in ganz Mecklenburg-Vorpommern mit einem großen Netzwerk und einem Mentorenpool von Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Politik. Angeboten werden: ein Gründer-Arbeitsplatz im CoWorking Space, die Gründer-Studio Sprechstunde, das 1:1 Coaching und die kostenlose Teilnahme an allen Gründer Studio-Veranstaltungen und MeetUps. Eine tragende Rolle sollen Kreative im DIZ spielen, sagt Mascha. „Ihre agilen und kreativen Arbeitsmethoden sind hier im DIR ein sehr wichtiger Baustein, den die Region noch viel stärker braucht.“
Kreative haben eine Schnittstellenfunktion. Ihre große Kompetenz besteht darin, sich in Wünsche und Bedürfnisse sehr verschiedener Nutzer und Branchen hineinzudenken und mit den Akteuren anderer Fachgebiete und Branchen passgenaue Lösungsansätze zu finden. Genau diese Art von cross-sektoralen und kokreativen Kooperationen sollen im DIZ angesiedelt werden.
Erfahrungsschatz
Bei ihren Planungen im DIZ kann Mascha Thomas-Riekoff auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Als Managerin und Kulturproduzentin hat sie Projekte mit unterschiedlichen Akteuren geplant, abgeleitet und umgesetzt. Während des Studiums für Kulturarbeit an der Fachhochschule spezialisiert sie sich auf Ausstellungsmanagement und und wagt sich direkt nach dem Studium in die Selbständigkeit. Gemeinsam mit Silvana de Hillerin gründet Mascha die Agentur „Balestra Berlin“ für „Idea Engineering & Cultural Management“. Sie entwickelt u. a. die Lichtkunst-Raum-Installation kubik entwickelt, die als temporäre Diskothek durch die ganze Welt tourt. Auch heute noch leuchtet kubik gerade irgendwo auf dieser Welt und war an insgesamt 30 Orten.
Mascha moderiert im Perzina-Saal © MassivKreativ
In der Zeit bei Balestra Berlin initiiert Mascha vielfältige Ausstellungs- und Kulturformate und übernimmt in Personalunion unterschiedliche Aufgaben. Sie erklärt ihre Rolle: „Ich bin keine Kuratorin oder Regisseurin, sondern ich bin eben Kulturproduzentin – verantwortlich für Budgetierung, Finanzierung, Planung, Koordination der technischen Umsetzung, Personalführung bis hin zur Bewerbung der Projekte.“ So vielfältig wie die Aufgaben sind auch die Tätigkeitsfelder von Mascha: Medienkunst, Ausstellungsproduktion und Stadtentwicklung. Ihre Leidenschaft gilt vor allem der Verwirklichung von ästhetisch anspruchsvollen Kulturprojekten, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen, wie z. B. auf der dOCUMENTA (13) in Kassel oder im Wikinger Museum in dänischen Jelling.
Neue Chancen nutzen
Dass die gebürtige Münchnerin ihren gut dotierten und anspruchsvollen Job in Berlin aufgegeben hat und nach Schwerin gezogen ist, hat familiäre Gründe. Der Wechsel bedeutete für sie finanziell große Einbußen. Andererseits denkt Mascha positiv nach vorn: „MV ist für mich das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo man sehr vieles noch gestalten kann, was anderswo z. B. wegen verfestigter Strukturen nicht möglich ist. Die Kreativen bringen eine enormen Gestaltungswillen mit nach MV, weil es ihnen nicht ausreicht, dass sie alleine an ihrem Rechner im Homeoffice sitzen. Sie streben nach einem sinnstiftenden, lebenswerten Leben. Das entsteht nur, wenn man in Kontakt mit anderen Bewohnern tritt und Strukturen aufbaut. Und deshalb entwickeln Kreative auch neue Geschäftsmodelle für mehr Lebensqualität.“
Wissenstransfer aus Berlin nach Schwerin
Bereits bei den Vorplanungen zum neuen Digitalen Innovationszentrum hat sie der Stadt mit ihren Erfahrungen aus der Hauptstadt beratend zur Seite gestanden, Argumente und Positionen gesammelt und Überzeugungsarbeit geleistet, wenn es Skepsis gab. Mascha hat das Konzept entwickelt, das sie folgendermaßen erläutert: „DIZ soll die Innovationskraft von Wirtschaft und Wissenschaft vorantreiben. Er ist eine Kombination aus Think Tank, Coworking, Werkstatt, Treffpunkt und Ort des Austauschs zwischen privaten Fachhochschulen und Studienzentren im Verbund mit der IHK, der Handwerkskammer, mit Unternehmerverbänden, StartUps, GründerInnen, Freiberuflern, IT-Interessierten und vor allem auch mit Akteuren der Kreativwirtschaft. Alle Akteure sollen gemeinsam frische Geschäftsideen entwickeln sowie Geschäftsmodelle mit digitalen und analogen Ansätzen. Auch Schüler, Studenten und interessierte Bürger sind eingeladen, um sich hier über die digitale Zukunft zu informieren und auszutauschen, digitale Technik zu erleben und auszuprobieren. Es entsteht ein Begegnungsort für Veranstaltungen und Formate, die über die Region hinaus strahlen.“
historischer Saal im DIZ Schwerin © MassivKreativ
PODCAST-Interview
Antje Hinz interviewte Mascha Thomas-Riekoff für die Studie (2020): Standortoffensive Westmecklenburg: Wirtschaftsförderung 4.0 durch Kultur- und Kreativwirtschaft . Online-Umfrage, qualitative Interviews und Strategiekonzept. Hier mehr…
DIZ als kreativer Think Tank
Das Digitale Innovationszentrum ist ein Ort, der vielfältiges Wissen verschiedener Akteure sammelt, der sie aufeinandertreffen lässt, verbindet und in Austausch bringt. An Hochschulstandorten soll die Arbeit der sechs Digitalen Innovationszentren eng mit der Wissenschaft verknüpft werden. In Schwerin liegt der Fokus auf einer engen Kooperation mit der Verwaltung. Außerdem soll es um Problemfelder und Trends gehen und wie man passende kreative Akteure zum Ermitteln von Lösungsansätzen zusammenbringt: Stadt- und Landentwicklung, Mobilität, Gesundheit, Umwelt, Nachhaltigkeit usw. Was bringt die Zusammenarbeit mit Kreativen? Mascha erklärt: „Innovationsfördernd ist das besondere Denken von Kreativen und das Potential, das sie durch ihre Methodiken und Arbeitsweisen in sich tragen und an andere Branchen in Thinktanks weitergeben können. Bevor ein Grafiker z. B. ein Logo für ein Unternehmen entwickelt, muss er erst mal analysieren, was die Firma ausmacht, was deren Kernkompetenz und Alleinstellungsmerkmal am Markt ist. Und dazu ist auch Perspektivwechsel nötig, der zeigt, dass Kreative noch ganz andere Produkte und Dienstleistungen entwickeln können, die weit über ein Logo hinausgehen.“
Magnet für neue Fachkräfte
Mascha hofft, dass die Impulse durch Kreativschaffende im DIZ andere gut ausgebildete Neubürger nach Mecklenburg bringen kann: „DIZ wird gerade durch die Kooperation mit Kreativen und mit innovativen Formaten auch hochqualifizierte Fachkräfte bzw. Rückkehrer nach MV locken, die interdisziplinär mit vielseitigen Teilbranchen der Kreativbranche neue Geschäftsmodelle entwickeln wollen. Über den ersten erfrischenden Austausch mit Kreativen kann sich bei Fachkräften der Wunsch entwickeln, sich dauerhaft in MV niederzulassen.“
Text: Antje Hinz
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PODCAST-Interviews mit den Koordinator*innen und Projektmanager*innen der Digitalen Innovationszentren in MV – befragt von Mareike Donath, der Leiterin der Stabsstelle Digitalisierung, Internationale Angelegenheiten des Ressorts im Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung des Landes Mecklenburg-Vorpommern.