Digitaler Zukunftsdialog mit den Spitzenkandidat:innen der Parteien für die Landtagswahlen 2021
Kreative MV im Gespräch mit Michael Sack (CDU), Simone Oldenburg (DIE LINKE), Anne Shepley (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und René Domke (FDP): Wie entfalten wir die Potenziale der Kreativbranche für die Zukunft Mecklenburg-Vorpommerns?
Kreative MV, der Landesverband Kultur- und Kreativwirtschaft Mecklenburg-Vorpommern e.V., hat Spitzenkandidat:innen der Parteien vor den Landtagswahlen 2021 zum digitalen Zukunftsdialog eingeladen. Im direkten Austausch mit Kreativunternehmer:innen und Freiberufler:innen aus allen Teilbranchen der Kultur- und Kreativwirtschaft wird ein Einblick in die Potenziale der Branche für eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik gegeben: Welche Rolle spielt die Kreativbranche in der Wirtschaftspolitik für die verschiedenen Parteien?
Folge 2: Kreative MV im Gespräch mit Hans-Joachim Otto, René Domke, Hans Kreher, Hartmut Ebbing, Barbara Becker-Hornickel (FDP), Volker Petri (Börsenverein des deutschen Buchhandels, Landesverband Nord), Björn Kagel (Immergutrocken e.V), Martin Horst (13° Crossmedia Agentur)
Moderation: Corinna Hesse, Kreative MV (ZOOM Mitschnitt vom 8.6.2021)
Welche Erfahrungen können wir aus der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes auf Mecklenburg-Vorpommern übertragen?
Hans-Joachim Otto: Wir haben im Rahmen Enquete-Kommission den Eindruck gewonnen, dass wir zur Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft diese Initiative brauchen, auch mit dem Kompetenzzentrum. Wir haben sehr deutlich über all die Jahre in der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft gelernt und umgesetzt, dass wir zum Wohle dieser sehr kleinteiligen Wirtschaft sehr viel leisten müssen als Staat, als Bund und Länder, um die wirtschaftliche Kompetenz der Branche zu stärken. Wir haben wunderbare Kreative erlebt, die sich aber schwertun, ihre Kreativität in Geld monetär umzusetzen, wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Und das war einer der Hintergründe für die Etablierung des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft auf Bundesebene. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass das Dach bekannter wird, der Zusammenhalt der 11 Teilbranchen größer wird, das führt auch zu wirtschaftlichem Erfolg. Und wir dürfen nicht nur alle Fördermittel nach Berlin geben. Ich war lange Zeit im Vorstand der Kulturstiftung des Bundes, da sind rund 50% der Fördermittel nach Berlin geflossen, und gerade Mecklenburg-Vorpommern und ländlich strukturierte Regionen, kleinere Städte sind hinten runtergefallen, weil sie die Kompetenz nicht hatten, Förderanträge zu stellen. Mecklenburg-Vorpommern sollte darauf drängen, dass sie da stärker berücksichtigt werden. Die Vermittlung des Wissens, wie komme ich an Fördermittel, die haben die Jungs und Mädels in Berlin wesentlich stärker als in Neustrelitz.
Wie kann während und nach der Pandemie die Kreativbranche in Mecklenburg-Vorpommern besser unterstützt werden?
René Domke: Für mich ist die Vernetzung ein wichtiger Aspekt, dass wir KKW viel breiter verstehen. Wenn wir herauswollen aus der Pandemie, müssen wir überlegen, ob wir für die gesamte Branche, alle Teilbranchen, ein Sonderprogramm auflegen, um das nachzuholen und wieder anzuschieben, was wir in dieser Zeit versäumt haben. Der Bedarf ist riesig, die Menschen hungern nach Kunst und Kultur, nicht nur am Bildschirm. Ich glaube, jetzt geht es darum, ein Sonderprogramm aufzulegen und zu sagen wir machen Mecklenburg-Vorpommern zum Kulturland.
Wie kann die Kreativbranche in Mecklenburg-Vorpommern gestärkt werden?
René Domke: Wenn Sie die „Gewerkschaft“ der Branche in MV sind, darin würden wir Sie bestärken wollen. Sie sollen als Selbstorganisation der Kreativwirtschaft diese Kraft entwickeln, da würden wir Sie als ganz wichtigen Ansprechpartner sehen, egal ob in der Ausschussarbeit, in der Parlamentsarbeit, dass Sie Stellungnahmen abgeben, dass Sie eingebunden werden. Wir können gar nicht beschreiben, in wieviele verschiedene Ressorts das ausstrahlt. Das ist nicht nur ein Ressort, ein Ministerium, wo Kreativwirtschaft eine Rolle spielt, sondern es ist übergreifend. Da würden Sie bei uns offene Türen einlaufen, dass wir Sie dazu einladen. Wir müssen alle ein bisschen lauter werden, um Mecklenburg-Vorpommern als Kulturland nach vorne zu bringen, nicht nur als Tourismusland. Nennen wir es doch „Tourismus- und Kulturland“! Und wenn wir damit aktiv werden, stärkt es auch das Selbstbewusstsein der Kulturschaffenden.
Wo liegen die größten Potenziale der Kultur- und Kreativwirtschaft für Mecklenburg-Vorpommern?
René Domke: Die Chance der Digitalisierung treibt mich um, und wir haben das in der Kommunalpolitik immer wieder gefordert: Man hat soviel Fundus in den Städten und Gemeinden, man hat soviel Kunst im öffentlichen Raum, soviel historischer Wert, der niemanden erklärt wird. Oder Streetart, Graffiti, warum geben wir nicht Gebäude frei, dafür müsste das Land Mittel bereitstellen, damit Städte und Gemeinden diese hidden places, die es überall gibt, einfach mal darstellen könne. Das ist digital zu heben, und da kann Mecklenburg-Vorpommern profitieren.
Wo liegt die größte Herausforderung der Kreativbranche in Mecklenburg-Vorpommern?
Hans Kreher: Manchmal denke ich, dass wir immer noch in Deutschland eine Art feudale Sicht auf Kultur haben, die vom Landesherrn vorangetrieben wird. Wir haben nach wie vor nicht das Verständnis dafür, dass auch selbst ein Dürer auf den Markt ging mit seiner Frau, um seine Kunst zu vermarkten und zu verkaufen. In Deutschland ist Kultur immer noch etwas Erhabenes, das nichts mit Wirtschaft zu tun hat. Das wünsche ich uns allen, da müssen wir viel stärker dran arbeiten, dass Kultur wirklich ein entscheidender Wirtschaftsfaktor gerade für unser Land hier in Mecklenburg-Vorpommern ist. Da würde ich gerne mithelfen, das voranzubringen, auch in unserer Fraktion.
Wo liegen die größten Chancen für die zukünftige Entwicklung?
Hans-Joachim Otto: Ich habe Zeit meines Lebens auf der Schnittstelle von Wirtschaft und Kultur gearbeitet, und diese Brücke zwischen den beiden muss verstärkt werden. Es gibt auf beiden Seiten Berührungsängste. Gerade bei den Kreativen, die sagen, es kommt uns nicht auf den schnöden Mammon an, wir sind kreativ! Und sie kümmern sich nicht um die Vermarktung ihrer kreativen Leistungen im erforderlichen Umfang. Diese Berührungsängste sollten abgebaut werden. Und wir als Politiker sollten immer erkennen, dass hier eine Wirtschaftsbranche ist mit vielen Arbeitsplätzen ist. Mecklenburg-Vorpommern hat übrigens einen Superlativ, sie haben in der Kultur- und Kreativwirtschaft den höchsten Anteil an Selbständigen bundesweit. Das wunderschöne Land Mecklenburg-Vorpommern, die Nummer 1 im Tourismus, sollte erkennen, dass die Verknüpfung von Tourismus mit Kultur und Kreativwirtschaft wunderbar geht. Hier sollten die kulturwirtschaftlichen Angebote verstärkt werden.
Mehr Informationen: Das FORUM KULTURVERBÄNDE MV hat Wahlprüfsteine an alle Parteien geschickt. Die Fragen und Antworten findet Ihr HIER