Wer mit wem und warum? Strategisches Netzwerken
KreativLab am 26.9.2017, 17 bis 21 Uhr
Villa Kalkbrennerei | Franzenshöhe 2 | 18439 Stralsund
Hier findet Ihr die Dokumentation zum Download .
Netzwerken ist der Schlüssel zum Erfolg.
Doch wie finde ich Partner, die zu mir passen? Was erwarte ich von anderen, und was kann ich ihnen bieten? Welche Haltung müssen alle Partner einbringen, damit Netzwerke fruchten? Im KreativLab mit Katja Wolter , Coach und Geschäftsführerin des Steinbeis-Forschungszentrum – Institut für Ressourcen-Entwicklung in Greifswald erkundeten wir die Netzwerk-Potenziale der TeilnehmerInnen.
Katjas wichtigster Tipp voraus: „Netzwerken heißt nicht in erster Linie, etwas von anderen haben zu wollen, sondern etwas zu geben. Die erste Frage für erfolgreiches Netzwerken heißt also: Was kann ich ins Netzwerk reingeben, so dass andere davon profitieren können?”
Da Netzwerken auch viel Zeit kostet, sollte man die Kontaktanbahnung nicht planlos angehen, sondern strategisch. Dazu gehören erstmal einige Grundfragen – die nebenbei auch manchmal ganz praktisch sind für die eigene Lebensplanung:
Welche Ziele habe ich? Wo will ich hin, nächstes Jahr, in 5 Jahren, in meinem Leben (beruflich, privat, gesellschaftlich)?
Welche Personen könnten mir dabei helfen, das Ziel zu erreichen? Wie kontaktiere ich diese Personen?
Welche Ressourcen habe ich? Zeit, Geld, Wissen?
Wie mache ich mich sichtbar, wie will ich mich präsentieren?
Welche Zielgruppen habe ich, und in welchen Netzwerken tummeln sich diese Menschen?
Wen kenne ich bereits, und wie kann ich meine Kontakte von meiner chaotischen Visitenkarten-Kiste in einen systematischen Netzwerk-Verteiler überführen?
Klingt nach Arbeit! Ist es auch, aber es lohnt sich trotzdem: Das Arbeiten im Netzwerk ist ein wertvolles Akquise-Instrument, das im besten Fall gute Aufträge, Kooperationspartner und Kunden generiert und dabei noch Spaß macht, weil man Leute trifft, die auf einer Wellenlänge sind!
Zur Systematisierung der Kontakte gibt es heute ja zahlreiche Online-Netzwerke, die durchaus hilfreich sind (auch wenn man sich immer bewusst sein sollte, dass persönliche Daten dabei von den betreibenden Großkonzernen für ihre kommerziellen Zwecke genutzt werden). Durch XING & Co lassen sich oft Kontakte mit Menschen wiederbeleben, die man „vor Urzeiten“ zuletzt getroffen hat, z.B. alte Schulkameraden oder Studienkollegen.
„Ich bin ein großer Fan von Online-Netzwerken“, bekennt Katja, „aber sie ersetzen direkte persönliche Kontakte nicht. In der Psychologie gibt es eine Grundregel: Ich muss einen Menschen mindestens drei Mal getroffen haben, bevor sich ein Gefühl von Vertrauen einstellt. Und Vertrauen ist Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit.“
Daher sind Mentoring-Programme oft sehr erfolgreich, gerade GründerInnen können dadurch neue, vertrauensbasierte Kontakte aufbauen.
Katja rät, sich auch im digitalen Zeitalter nicht allein auf Online-Kontakte zu verlassen, sondern ganz physisch Präsenz zu zeigen: auf Konferenzen, bei Vorträgen, Netzwerktreffen:
„Je nach Zielgruppe sind auch Publikationen ein gutes Mittel, um Teil von Netzwerken zu werden und auf sich aufmerksam zu machen. Gedruckte Publikationen werden oft als seriöser und nachhaltiger angesehen als flüchtige Online-Medien.“
Für die Social Media Managerin Judith Kenk , die 2017 erfolgreich das Netzwerk Seenplatte ins Leben gerufen hat und schon zahlreiche treffen organisiert hat, stellt sich die Frage: „Wie erhalte ich ein lokales Unternehmensnetzwerk am Leben? Am Anfang sind alle sehr enthusiastisch, lernen neue Leute kennen, haben viele neue Eindrücke… aber wenn sich Routine einstellt, könnte das Interesse und die Motivation, sich zu engagieren, verlorengehen!“ Das ist in der Tat eine Herausforderung, vor allem für die „EinzelkämpferInnen“ der Kultur- und Kreativwirtschaft. Oft sind sie Produzenten, Verkäufer, Öffentlichkeitsarbeiter und Vertriebler in einer Person – wo bleibt da noch Zeit für den Netzwerker/die Netzwerkerin?
Corinna Hesse, Sprecherin des Landesnetzwerks Kreative MV : „In der Tat funktionieren berufliche Netzwerke auf Dauer nur durch professionelles Netzwerk-Management. Das bedeutet, dass es sich für alle aktiven Netzwerkmitglieder auch finanziell lohnen muss, ihre Zeit zu investieren – etwa durch Aufträge oder gemeinsame honorierte Projekte.“
Judiths Wunsch für 2018: „Meine Aufgabe an Euch als Kreative MV : Die kleinen Initiativen, also die einzelnen Zellen, zu vernetzen und eine übergreifende Dachgruppe zu bilden. Es gibt den Klützer Winkel, Karnitz, Pampin und und und. Jeder wurschtelt so für sich. Ich denke es wäre an der Zeit, diese Initiativen zu ‚einen‘. Dabei soll keiner seine Identität aufgeben, es geht viel mehr darum, voneinander zu lernen, Erfahrungen auszutauschen, zu unterstützen. Regelmäßige Treffen durch eine Koordinierungsstelle sollten entstehen. Evtl. könnten auch Fördergelder zusammen beantragt werden.“
Ein Anliegen, das wir gern weiterverfolgen!
Die Designerin Anja Puder ergänzte: „Kreative MV macht sichtbar, dass in verschiedenen Regionen MV´s bereits viele kreative Menschen aktiv sind. Ich denke, dies ist erst der Anfang. Daher möchte ich das Netzwerk gern weiterhin unterstützen, da es mit Sicherheit noch genug unentdecktes Potential gibt.“
Im KreativLab lernten wir dann regionale Netzwerke in unterschiedlichen Entwicklungsstadien kennen:
Der Künstler Ian Wiskow stellte den Kunstverein Stralsund vor, der erfolgreich die ART STRALSUND veranstaltet und die Öffentlichkeitsarbeit der KünstlerInnen bündelt:
„Um Unterstützer und Sponsoren zu finden, habe ich die gewerbliche Wirtschaft vor Ort direkt angerufen und persönlich besucht. Die Resonanz war fantastisch, die Wirtschaft hat den Mehrwert von Kunstausstellungen und künstlerischen Bildungsprojekten durchaus erkannt und engagiert sich für den Standort.“
Schwieriger ist es, Kommune und Immobilienwirtschaft zu vernetzen:
„Ich bespiele seit 2013 den Hafenturm Stralsund mit Kunstprojekten für Kinder und Jugendliche. Mein Ziel ist es, in Stralsund einen ständigen Ort für zeitgenössische Kunst zu schaffen. Ich hoffe, dass ich Stadt und Investoren gemeinsam ins Boot bekomme.“
Die Kommunikationsberaterin Iris Wessolowski aus Neustrelitz stellte das überregionale Netzwerk code 4 Germany vor, in dem digitale Experten ihr Wissen einbringen, um Daten für die Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Jede Woche treffen sich in ganz Deutschland Teams zu ihren Projekten für Code for Germany. Sie arbeiten gemeinsam an nützlichen Anwendungen und Visualisierungen rund um offene Daten und digitale Werkzeuge für Bürgerinnen. In Schwerin hat sich letztes Jahr ein neues Lab gegründet, das noch Mitstreiter sucht für den Aufbau: https://codefor.de/mecklenburg-vorpommern/
Für Iris stellt sich in MV vor eine Herausforderung: „Wie schafft man es, über große Distanzen dauerhaft in Kontakt zu bleiben? Hier sehe ich in digitalen Netzwerken gerade für eine MV eine große Chance.“
Maria Schulz vom Unternehmerverband Rostock-Mittleres Mecklenburg e.V. stellte die Frage, wie sich das Potenzial von Kreativnetzwerken für die Quartiersentwicklung in den Rostocker Großraumsiedlungen einsetzen lässt:
„Früher gab es hier neben Wohnraum auch Gewerbe, Industrie, Freizeitangebote. Doch trotz öffentlicher Gelder liegt vieles brach und es gibt enormen Leerstand.“
In der Tat gibt es bundesweit Beispiele, wie kreative Netzwerke erfolgreich für die Umnutzung von Raumpotenzial mobilisiert werden können. Wir bleiben dran am Thema und wollen für 2018 daraus einen Schwerpunkt in der Kreative MV machen!
Die Journalistin und Autorin Ulrike Sebert aus Stralsund stellte das Landesnetzwerk „Ästhetik und Nachhaltigkeit “ vor, das KünstlerInnen mit Nachhaltigkeitsinitiativen zusammenbringt und gemeinsam Projekte veranstaltet. In Stralsund wurden 2017 beim Aktionstag „Spurwechsel “ entlang einer hochfrequentierten Buslinie Kunstaufführungen in den Alltag gebracht: „Das Thema Nachhaltigkeit wurde spielerisch und künstlerisch umgesetzt, so dass es weniger abstrakt bleibt.“ Das Netzwerk hat sich übrigens gerade weiter professionalisiert und verstetigt. Bei der landesweiten Veranstaltung KUNST OFFEN fand in Mestlin eine Tagung statt, bei der das Kolleg für Management und Gestaltung nachhaltiger Entwicklung (KMGNE) nun die Trägerschaft für „Ästhetik und Nachhaltigkeit“ übernommen hat.
Die Designerin und Raumgestalterin Anja Puder , Netzwerk-Mitglied bei Kreative MV, präsentierte beim KreativLab in Stralsund ihre Arbeiten und Projekte. Sie nutzte beim Einstieg in die Selbständigkeit das berufliche Netzwerk aus ihrer Festanstellung für die ersten Aufträge. Hier findet Ihr Anjas Präsentation. Kurzpräsentation_Anja_Puder
„Beim Netzwerk Kreative MV mitzumachen bedeutet für mich, sich selbst zu zeigen und andere kennenzulernen, Gleichgesinnte zu treffen und sich auszutauschen, Kooperationspartner zu finden. Horizonterweiterung, Inspirationsquelle. Wissenstransfer und vieles mehr.“ Anja Puder
Für eine vergnügliche Atempause in unserem Marathonprogramm sorgte die Autorin und Sprechtrainerin Hannah Lenz , die uns eine praktische Übung beibrachte, durch die wir unsere Sprech- und Denkwerkzeuge auch nach 3 Stunden KreativLab wieder in Schwung brachten. Vielen Dank dafür, Hannah!
Ortserkundung
Vor dem KreativLab führte der Künstler und Raumpionier Vincenz Kurze durch die einstige Villa der alten Kalkbrennerei Franzenshöhe in Stralsund. Vincenz hat das Haus 2015 erworben und einen Verein gegründet, um die Villa Stück für Stück zu sanieren und in ein lebendiges Künstlerhaus zu verwandeln: mit Probenräumen für Bands, Seminarräumen, Ateliers oder Räumlichkeiten, in denen Kulturveranstaltungen stattfinden können. Auch der Außenbereich soll gestaltet werden, damit später Openair-Events auf dem Gelände stattfinden können.
„Die Villa Kalkbrennerei wird eine zeitgenössische soziale Plastik für die Hansestadt Stralsund. Eine lebendige Skulptur, die sich über die Jahre hin entwickeln und verändern kann. Wir beschreiben kein Objekt, das durch einen Künstler gefertigt und platziert wird, sondern einen beweglichen Ort, der Möglichkeiten zum Mitgestalten schafft und der zu Begegnungen einlädt, verrückt, friedvoll und kritisch ist.
Jetzt geht für mich hier die Suche nach einer angemessenen künstlerischen Arbeitsweise für das 21. Jahrhundert mit der Villa Kalkbrennerei weiter. Ich kann nun hier meinen Kunstbegriff überprüfen, ergänzen oder verändern und gleichzeitig zukunftsweisende Visionen Realität werden lassen. Einer dieser kleinen Träume wäre es, in der Villa ein Arbeits- und Aufenthaltsstipendium für die Forschung am erweiterten Kunstbegriff vergeben zu können. Das wäre ein Schritt nach Vorn, sowohl für die Kunst, als auch für die Dezentralisierung der kulturellen Zentren und letzten Endes ein Ort aus der Zukunft.“
Vincenz Kurze, Künstler und Raumpionier
Unsere Referentin:
Katja Wolter studierte Betriebswirtschaftslehre in Stralsund und Liverpool und arbeitete als Referentin der Verwaltungsdirektion des Rundfunk Berlin-Brandenburg in Potsdam/Berlin und als Projektleiterin der Steinbeis-Hochschule in Berlin und Hamburg. 2012 kehrte sie in ihre Heimatstadt Greifswald zurück und war als Projektleiterin für Diversitätsmanagement in der BioCon Valley GmbH tätig. Seit 2014 leitet sie das Steinbeis-Forschungszentrum/Institut für Ressourcen-Entwicklung in Greifswald und bietet in Kooperation mit Hochschulen und der Kreative MV Workshops und Gruppencoachings für Hochschulabsolventen und Unternehmen und Freiberufler der Kultur- und Kreativwirtschaft an, zu den Themenschwerpunkten Karriereplanung und strategisches Netzwerken. © Foto: Ecki Raff
Wir danken Vincenz Kurze und dem Kalkbrennerei e.V. für wunderbare Gastfreundschaft an diesem inspirierenden Ort mit Mega-Potenzial!
Fragen? Unser Kontakt
Corinna Hesse, kontakt@kreative-mv.de
Unser Partner:
Die KreativLabs finden im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit statt und werden von der Kreative MV – dem Netzwerk für Kultur- und Kreativwirtschaft Mecklenburg-Vorpommern – durchgeführt.