Preisfindung: Was ist meine Arbeit wert?
KreativLab#7 am 5.7.2017, 16.30-21 Uhr, in der Schmiede Radsack, Stresdorf 3, 19205 Gadebusch
Welchen Preis kann ich in schwieriger Marktlage für kreative Produkte und Dienstleistungen ansetzen? Beim KreativLab in der Schmiede Radsack in Stresdorf bei Gadebusch haben wir gemeinsam mit Victoria Ringleb, Geschäftsführerin der Allianz deutscher Designer, Preisfaktoren sondiert: Wie finde ich die Kunden, die bereit sind, für hochwertige kreative Arbeit einen angemessenen Preis zu zahlen? Wie reagiere ich auf das grassierende Preisdumping, das eine prekäre Abwärtsspirale in Gang setzt?
Die gute Nachricht zuerst: Es gibt viele Stellschrauben, an denen die Akteure selbst drehen können, um ihre Einkünfte zu verbessern. Die weniger gute: Noch immer wird der Wert kreativer Leistungen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft unterschätzt. Das sind dicke Bretter, durch die wir nur kommen, wenn wir gemeinsam weiterbohren!
Hier findet Ihr die Dokumentation zum Download.
Hier findet Ihr einen Audio-Beitrag über das KreativLab von Martina Scheller für das Kulturjournal auf NDR 1 – Radio MV.
Euer Feedback:
„Ich bin froh, so viele interessante Menschen zu erleben. So bekomme ich auch für mich ein besseres Selbstbild.“
„Bin neu dabei und Einzelkämpferin. Danke für die hervorragende Moderation durch Corinna Hesse!! Und Coco Radsack für die vielen Informationen aus ihrem Betriebsumfeld.“
Ortserkundung
Unsere Gastgeberin Coco Radsack startete den Rundgang durch die Schmiede im Seminarraum mit dem spektakulären Rundumblick auf die malerische Hügellandschaft bei Gadebusch in Nordwestmecklenburg. Stresdorf ist mit seinen reetgedeckten Katen und Scheunen komplett denkmalgeschützt: „Im Sommer haben wir oft Tagesgäste, die darüber staunen, was wir hier machen“, berichtet Birger Radsack, Schmiedemeister und Werklehrer mit einem Diplom in der freien Malerei. Seit einigen Jahren arbeiten der Schwiegersohn und beide Söhne mit in der Werkstatt, die sich inzwischen auf „Tiny Houses“ spezialisiert hat: mobile Wohnhäuser nach ökologischen Standards, die bundesweit reißenden Absatz finden.
Birger Radsack verrät, dass hier durchaus der Preis eine Rolle spielt: „Durch die Werkstatt auf eigenem Grund und Boden können wir günstiger produzieren als Hersteller in den Ballungszentren. Das ist unser Standortvorteil!“
Coco Radsack ist Silberschmiedin und betreibt in Schwerin ein Kunstkaufhaus, das Kontor in der Puschkinstraße:
„Inzwischen haben wir zahlreiche Stammkunden, die nur nach Schwerin kommen, um bei uns Kunst zu kaufen. Diese Kunden haben oft die Einstellung: Kunst muss auch teuer sein, damit es ihnen etwas wert ist. Aber wir haben auch befremdliche Erlebnisse. Einmal fragte einer: ‚Wieso wollen Sie denn dafür Geld haben, das haben Sie doch selbst gemacht!?‘
Impulsvortrag Victoria Ringleb | Allianz deutscher Designer
Die Beispiele zeigen, wie groß die Spannweite bei der Preisfindung ist. Unsere Referentin Victoria Ringleb, Geschäftsführerin der Allianz deutscher Designer, rät dazu, das Marktumfeld genau zu erkunden, um die Zahlungsbereitschaft der Kunden einzuschätzen:
„Ist es eine gemeinnützige Organisation oder ein Wirtschaftsunternehmen? Wie groß ist das Unternehmen, ist es eher regional oder international tätig, wie hoch ist der Umsatz? Manchmal lohnt es sogar einen Auszug aus dem Handelsregister einzusehen, um die Geschäftssituation eines Kunden einzuschätzen. All das spielt eine Rolle für den Preis, den ich ansetzen kann.“
Hier der Link zur Präsentation
Preisfaktoren
Weitere Preisfaktoren liegen darin, wie der Kreativunternehmer sich selbst am Markt positioniert:
„Wenn ich ein klares Alleinstellungsmerkmal habe, kann ich höhere Preise nehmen als wenn ich mich in einem Feld tummele, auf dem noch tausend andere Anbieter sind. Hier ist die Gefahr des Preisdumpings sehr hoch. Es wird immer einen Wettbewerber geben, der billiger ist als ich.“
So kam der Grafikdesigner Peter Dahmen eher leidlich zurecht, solange er „normales“ Grafikdesign anbot: Logos, Briefpapier, Kataloge… In seiner Freizeit frönte er seinem Hobby: Papierkunstwerke. Bis einer seiner Kollegen zu ihm sagte: Du bist ja verrückt, das nur für Dich zu machen – biete doch Deine Papierkunst professionell an! Peter Dahmen macht heute mit Pop-Up-Karten ein großes Geschäft. https://peterdahmen.de/
Viele kreative Leistungen erfordern auch eine gute Kommunikationsstrategie: zahlreiche Kunden wissen gar nicht, wieviel Arbeitsleistung in den Produkten steckt. Hier muss der Kreative viel erklären: Handgefertigte Produkte sind keine billige Massenware, dafür erhält der Käufer eine Leistung, die eine individuelle Handschrift trägt und einzigartig ist. Auch das Umfeld der Präsentation muss stimmen: Kataloge, Verkaufsstände sollten auf demselben Niveau liegen wie das Produkt selbst, damit der Preis „stimmig“ wirkt.
Auf keinen Fall sollte man mit einem niedrigen Freundschaftspreis einsteigen, um Neukunden zu gewinnen:
„Von Schleuderpreisen kommt man nur schwierig wieder los, und Neukunden sind viel aufwändiger in der Betreuung als Stammkunden. So bleibt man oft auf seinen Kosten sitzen“, weiß Victoria Ringleb.
Auch öffentliche Auftraggeber gehören zu den eher schwierigen Kunden:
„Bei Ausschreibungen, in denen der niedrigste Preis als wichtigstes Entscheidungskriterium genannt wird, rate ich oft von einer Beteiligung ab. Damit wird Dumping gefördert. Auch sollte man im kostenfrei erstellten Angebot keinesfalls schon Ideen skizzieren, die nachher nicht bezahlt werden. Es ist eine Unsitte, wenn das gefordert wird.“
Die gefährliche Dumpingspirale lässt sich am besten vermeiden, wenn alle an einem Strang ziehen und einsehen, dass sich Kampfpreise langfristig nicht auszahlen. Die Allianz deutscher Designer handelt seit 1977 den Vergütungstarifvertrag für Designleistungen (VTV Design) aus und gibt Musterkalkulationen heraus. Der Basis-Stundensatz liegt derzeit bei 90,- Euro netto.
Präsentationen der TeilnehmerInnen
„Von einem solchen Stundensatz kann ich nur träumen“, berichtet die Schweriner Logopädin Hannah Lenz, die sich mit Lyrik-Lesungen (http://meine-grossen-brueder.de/) und Trainings für Bewerbungs- und Verkaufsgespräche ein zweites Standbein aufbaut. „Für Bewerbungsgespräche berechne ich 20,- in der Stunde. Arbeitslose haben nunmal nicht viel Geld übrig.“ Andererseits: Was ist ein neuer Job wert? Sollte man dafür nicht mehr investieren?
„Wichtig ist, sich zu überlegen, welchen Mehrwert der Kunde von Deiner Leistung hat, was er selbst dadurch gewinnt. Je höher der potenzielle eigene Gewinn, desto mehr wird der Kunde für die Leistung zahlen“, weiß Workshopleiterin Corinna Hesse von der Kreative MV.
Beim Training für Verkaufsgespräche wird Wilfried Dobbertin von der Handwerkskammer Schwerin hellhörig: „Das ist für unsere Handwerker sehr interessant, machen Sie uns gern dazu ein Angebot!“
Großartig, wenn unsere Vernetzungstreffen so schnell zu neuen Kundenbeziehungen führen!
Alleinstellungsmerkmal als Preis-Garant
Die Illustratorin Konstanze Zelck von der Werbeagentur Silberrücken (www.sr-wa.de ) hat beim Illustrade-Festival in Rostock den Publikumspreis gewonnen. Nun feilt sie an ihrem Alleinstellungsmerkmal: „Ich möchte neben dem klassischen Grafik-Design auch handgezeichnete Illustrationen anbieten, die meine persönliche Handschrift zeigen.“ (http://illysium.de/ ) Dank des Publikumspreises konnte sie eine Serie von Postkarten entwerfen, als Muster für spätere Auftragsarbeiten, z.B. Werbepostkarten. Auch hier setzt sich der Preis aus vielen Faktoren zusammen: Wie hoch ist die Auflage, was macht der Kunde mit der Postkarte, will er die Illustration auch im Internet nutzen?
„Nutzungsrechte sind für viele Kunden ein Reizthema“, berichtet Victoria Ringleb. „Daher empfehle ich bei Preisverhandlungen, das Wort „Rechte“ zu vermeiden – das klingt nach Anwälten und Problemen. Man sollte lieber offen fragen, wie der Kunde das Produkt einsetzen möchte.“
Kreativ = kostenfrei?!
Ganz schwierig wird es bei Leistungen, die üblicherweise kostenfrei angeboten werden. „Wir haben versucht, Honorare für bildende Künstler bei Ausstellungen durchzusetzen“, berichtet Coco Radsack. „Und sind auf komplettes Unverständnis gestoßen. Dabei sind der Arbeitsaufwand und die Kosten für das Konzept, Transport, Versicherungen, Hängung etc enorm.“ Für den einzelnen Künstler lassen sich faire Preise hier nur schwer durchsetzen, da braucht man langen Atem und eine Lobby. Die Initiative Ausstellungsvergütung, ein Zusammenschluss bundesweit agierender Verbände, ist gerade bis in den Bundestag vorgedrungen: http://initiativeausstellungsverguetung.de/
Immer wieder versuchen Auftraggeber, feste Honorare zu umgehen und das Risiko an den Kreativen auszulagern. Davon berichtet die Porzellan-Designerin Kerstin Behrens (http://porzellan-manufaktur.de/) , die eine Auftragsarbeit für ein Museum produzierte: „Erst nach Fertigstellung eröffnete mir das Museum, welche Auflage tatsächlich fest angekauft werden sollte. Für die Restauflage sollte ich das Verkaufsrisiko übernehmen.“ Ein gelinde gesagt unübliches Verfahren für eine Auftragsproduktion. Hier hilft es nur, Leistung und Honorare so klar wie möglich vorab vertraglich festzulegen und sich nicht auf mündliche Absprachen zu verlassen.
Und selbst bei gesetzlich geregelten Vergütungen gibt es Schwierigkeiten, sie in der Praxis auch durchzusetzen. Die Keramikerin Dörte Michaelis (http://doerte-michaelis.de/ ) fertigt zahlreiche Arbeiten für den Bereich Kunst am Bau: „Obwohl es feste Regelungen für eine Quote an der Bausumme öffentlicher Bauvorhaben gibt, werden sie oft nicht beachtet. Damit bleiben wichtige Aufträge aus oder werden geringer vergütet.“ Für Mecklenburg-Vorpommern hat der Künstlerbund das Thema für seine nächste Tagung gesetzt – die in Verbindung mit unserem nächsten KreativLab zum Thema Kooperation – Vom Einzelkämpfer zum Teamplayer – am 13.9. im Kulturforum Pampin stattfindet.
Unser Fazit:
Es gibt viele Stellschrauben bei der Preisgestaltung, die die Kreativen selbst in der Hand haben. Das beginnt bei der sorgfältigen Kalkulation der Kosten – sowohl bei der Produktherstellung als auch bei den eigenen Lebenshaltungskosten – und endet bei der selbstbewussten Kommunikation der Leistung und des Preises. Außerdem gibt es ein paar Tricks der Preis-Psychologen, z.B.: Staffel Dein Angebot in ein niedriges, mittleres und hohes „Paket“ – und der Kunde entscheidet sich im Normalfall für das mittlere.
Für die allgemeine gesellschaftliche Wertschätzung kreativer Leistungen können wir nur gemeinsam kämpfen: Zahlreiche Netzwerke und Verbände tun dies bereits mit Erfolg. Auch wenn manches Ziel einen langen Atem braucht: Wer sagt, das klappt sowieso nicht, hat schon verloren. Manchmal muss man einfach Geduld haben, bis die Zeit reif ist. Vielen Politikern wird immer klarer, dass Künstler und Kreative diejenigen sind, die die Menschheit „vor dem Rückfall in die Barbarei bewahren.“ (Victoria Ringleb). Auch bei der Vermarktung kann man sich zusammentun, passende professionelle Partner suchen oder Plattformen. Hier gilt: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile!
Einige Trends begünstigen die Wertschätzung kreativer Leistungen: Gerade in digitalen Zeiten wächst die Begeisterung für das „Handgemachte“, das authentisch und individuell ist. Daher bleibt es für viele Kreative wichtig, nicht in erster Linie an den erzielbaren Preis zu denken, sondern an die eigene Begeisterung bei der Arbeit, auf Neudeutsch: den Flow, der sich einstellt, wenn man ganz im Tun aufgeht. Und das ist etwas, das unbezahlbar bleibt!
Berichte und weiterführende Tipps
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Kreative MV, kontakt@kreative-mv.de , www.kreative-mv.de, https://www.facebook.com/kreativsaison, Corinna Hesse, Tel. 038843-82 41 87
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Partner:
Die KreativLabs finden im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit statt und werden von der Kreative MV – dem Netzwerk für Kultur- und Kreativwirtschaft Mecklenburg-Vorpommern – durchgeführt. Wir danken der Schmiede Radsack für die Gastfreundschaft und Victoria Ringleb / Allianz deutscher Designer für die wertvollen Impulse und die gute Zusammenarbeit!