Carmen M. Borchers ist Netzwerkerin, Ideenstifterin und Manufakturbetreiberin. In Rüterberg in der Nähe von Dömitz betreibt sie ihre elbgoldmanufaktur und ist in vielen Ehrenämtern aktiv.
Von der Stadt aufs Land
Carmen blickt auf ein bewegtes und vielseitiges Berufsleben in Hamburg zurück. Sie war als Seminarleiterin und Dolmetscherin im Kulturbereich sowohl selbständig tätig sowie als Bildungsreferentin und Coach in einer überregionalen Weiterbildungseinrichtung aktiv. Heute erfindet und vermarktet sie in Rüterberg an der Elbe nahe Dömitz kleine Delikatessen aus der Natur. Ihre elbgoldmanufaktur stellt Produkte aus eigener “Pflückung” und aus der Ernte der Nachbarn her: Marmeladen, Gelées, Chutneys, Essig-Essenzen, Öle, Liqueure, Kräutersalz und weitere Köstlichkeiten.
Raumpionierin
In der Dorfrepublik Rüterberg bei Dömitz fand sie ein traditionelles Klinkerhaus, in dem gemeinsam mit ihrer Partnerin ein neuer Lebensabschnitt beginnen sollte. Am Anfang gab es viel zu tun: „Etliche Wochenende gingen mit fröhlich-verzweifelter Renovierung einher – aber es hat sich gelohnt. Das Wochenenddomizil von einst ist jetzt neue Heimat geworden. Wir “Stadtpflanzen” aus Hamburg bzw. aus Sankt-Petersburg mutierten zu “Landeiern”. Der Garten wurde beackert. Es ergab sich, dass nicht alles, was wir produzierten, auch von uns verbraucht werden konnte. Zudem sammeln wir gerne Pilze, Beeren und was die Natur sonst noch so hergibt. Aus einem Hobby entstand dadurch eine kleine Delikatessenproduktion – unsere elbgoldmanufaktur.“
© Carmen M. Borchers
Gemeinschaft im Dorf stärken
Bereits seit 10 Jahren betreibt Carmen die Produktion und den Vertrieb von regionalen Delikatessen. Dennoch sieht sie ihre elbgoldmanufaktur als Hobby. Denn weitere wichtige Vorhaben im Ort und der Umgebung fordern ihre Aufmerksamkeit. Carmen schätzt die Chancen, sich vor Ort einzubringen und mitzugestalten. Aus der alten Schule bzw. dem ehemaligen Gasthaus soll ein neues Gemeinschaftshaus werden. Gemeinsam mit etwa 50 weiteren Mitstreiter*innen hat Carmen einen Verein gegründet: “Durch das Haus und das gemeinsame, schöpferische Tun sollen alte und neue Rüterberger enger zusammenwachsen”.
Knapp 200 Einwohner leben heute in Rüterberg. 50% Einheimische und 50% Zugezogene, viele aus den alten Bundesländern. Beim Miteinander gibt es noch Luft nach oben, findet Carmen M. Borchers. Das Gemeinschaftshaus soll daher ein Treffpunkt und Raum für kreative Initiativen werden – von Dorfbewohnern für Dorfbewohner. Die örtlichen Vereine – Karnevals-, Feuerwehr-, Bootsverein und der Förderverein der Tongrube – hätten dann auch wieder die Möglichkeit, dort Zusammenkünfte und Veranstaltungen durchzuführen: “Wir glauben, dass wir durch ein Gemeinschaftshaus, an dem alle, Jung und Alt, Einheimische und Zugezogene, Kreative und handwerklich Tätige sich beteiligen können, damit der soziale Zusammenhalt und das Zusammenleben positiv befördert werden. Wir glauben, dass es einen “Ort für alle” geben sollte, an dem durch ehrenamtliche Mitarbeit das “Gesicht des Dorfes” noch ein anderes bzw. schöneres Profil bekommen könnte.”
2018/19 beteiligte sich Carmen mit dem Vorhaben Gemeinschaftshaus am Landeswettbewerb für kreative Raumpioniere Mecklenburg-Vorpommern und erzählt im Film-Interview darüber.
Region im Aufbruch
Carmen ist eine leidenschaftliche Netzwerkerin und treibt ihre Projekte mit viel Energie voran: „Nichts ist beliebig, man muss es schon wollen“ , sagt Carmen. „Dömitz, die nächste Kleinstadt, 5 km entfernt von meinem Wohnort Rüterberg, wacht gerade aus ihrem Dornröschenschlaf auf. Es ziehen immer mehr interessante Menschen hierher, die Ideen und Elan haben, etwas zu bewegen. Kulturprojekte sprießen nur so aus dem Boden, Beteiligung ist immer willkommen. Was vielleicht fehlt, sind übergeordnete Plattformen, die sich auch mit dem anderen Elbufer vernetzen. Projekte, die rechts und links der Elbe etwas bewegen, die fände ich wichtig, um die in den Köpfen häufig noch existierende Grenzsituation zu überwinden.“
Den Boden für den Austausch entlang der Elbe ebnete 2018 bereits die Bürgerwissensplattform Elbe505 . Bewohner*innen der Regionen Griese Gegend – Elbe – Wendland erzählen, was ihre Heimat auszeichnet, was sie lebenswert und spannend macht, z. B. Vergangenheit und Gegenwart von Rüterberg.
© Carmen M. Borchers
Ehrenämter
Carmen ist in weiteren Ehrenämtern aktiv. Ihr jüngstes Projekt ist die Freiwilligenzentrale Dömitz . Gemeinsam mit ihrer Mitstreiterin, der Künstlerin Ingrid van Bergen , möchte sie Macher*innen der Region zusammen bringen. Auf der Facebook-Seite starteten die beiden einen Aufruf für Vereine und Initiativen:
„Fehlt es Ihnen an Mitgliedern und Freiwilligen für anstehende Arbeiten? Da könnte Ihnen die Freiwilligen Zentrale Dömitz doch weiterhelfen…. Benötigen Sie für die Vereins- bzw. Initiativen-Arbeit eine helfende Hand? Kontaktieren Sie uns und sagen Sie, wo Ihnen jemand als Ehrenamtliche/r unter die Arme greifen kann. Wir versuchen dann passgenau zu vermitteln. Gerne können sich auch noch Bürger*innen bei uns melden, die Interesse und Freude an ehrenamtlicher Tätigkeit hätten. Wir freuen uns auf Ihre Nachricht!“
Im Filminterview berichtet Carmen über die Freiwilligenzentrale Dömitz:
Lebensqualität: Nah an der Natur
Carmen fühlt sich rundum wohl in Rüterberg. Sie schätzt die Stille und die entschleunigte Atmosphäre: „Unsere Elbregion ist ein Kleinod. Das Vierländereck hat ein unentdecktes Potenzial – nicht nur für (Fahrrad-)Urlauber*innen. Das Biospährenreservat mit seiner großartigen Flora und Fauna ist geradezu ein Schatzkästchen. Das gefällt mir nach dem aufregenden schnelllebigen Sein in Hamburg ganz besonders.“
Ein idyllisches Refugium für Naturliebhaber ist die ehemalige Tongrube am linken Ortseingang von Rüterberg. Wo früher Ton für das Klinkerwerk gewonnen wurde, hat sich über die Jahre ein kleiner See gebildet, der von den Rüterbergern gerne zum Baden genutzt wird. Der Förderverein Naturschutz Elbetal e.V. hat einen Natur-Erlebnispfad angelegt und mit Informationstafeln versehen. Rüterberg ist ein Traum für Naturliebhaber und Ausgangspunkt für den Sprung über die Elbe ins Wendland. Den haben schon die Ahnen von Rüterberg gewagt. Das Wappen von Rüterberg zeigt einen Ritter, der einst vom Rüterberg mit seinem Pferd hinüber gesprungen sein soll, um Rüterberg von Räubern zu befreien. Heute kann der Sprung über die Elbe völlig zweckfrei unternommen werden.
Text: Antje Hinz
PODCAST-Interview