Branchentrends der Kultur- und Kreativwirtschaft auf der Jahresbranchenkonferenz KREATOPIA
Am 19. und 20.9. fand die Jahresbranchenkonferenz für Kultur- und Kreativwirtschaft KREATOPIA in Rostock statt. In der IHK zu Rostock wurden aktuelle Trends der Branche in Deutschland diskutiert. Anschließend fanden Erkundungstouren durch Kreativstandorte in Rostock statt, um die innovative Szene direkt live vor Ort zu erleben. Ein angeschlossener Workshop des Bundesverbands Kreative Deutschland e.V. ermittelte, wie die Bundesinitiative für faire Honorare und soziale Absicherung von Soloselbständigen weiter gestärkt werden kann. Die Konferenz wurde im Auftrag des Wirtschaftsministeriums MV durch den Landesverband Kreative MV e.V. ausgerichtet, mit Unterstützung der IHK zu Rostock und der IHK zu Schwerin.
Dokumentation: Corinna Hesse (Text), Florian Kasch (Graphic Recording), Erik Gurzan (Fotos)
Kontakt: corinna.hesse (ät) kreative-mv.de
Dokumentation als pdf: HIER DOWNLOAD
Programm hier: www.kreatopia-mv.de
Meet & Greet mit Kreativunternehmen: Charlotte Berger (Designmarkt Ponyhof), Sebastian Bodi, Florian Federler (MVP Good Games), Enrico Pense (SANEKS), Jean-Pierre Meyer-Gehrke (von Anfang anders) und Oliver Kramer (Wellenrauschen Podcast) im Gespräch mit Martin Horst (13° Crossmedia Agentur)
Agile Kreativbranche: neue Geschäftsfelder, neue Produkte
„Die Kreativwirtschaft hat in der aktuellen Krise vielfältige neue Geschäftsfelder und Ideen entwickelt, von denen andere Branchen profitieren können“, sagte Klaus-Jürgen Strupp, Präsident der IHK zu Rostock, zum Auftakt der Konferenz. Jochen Schulte, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, ergänzte: „Die Branche zeichnet sich vor allem durch eine innovative Vielfalt und spezialisierte Fachkräfte aus. Dieses Potenzial noch sichtbarer zu machen, ist mir ein besonderes Anliegen.“ Corinna Hesse, Vorstandsmitglied des Landesverbands Kreative MV e.V. und des Bundesverbands Kreative Deutschland e.V., beschrieb die breite Wirkung der Branche:
„Kulturschaffende halten die zunehmend gespaltene Gesellschaft zusammen, die Zukunftsbranche Kreativwirtschaft nimmt zukünftige Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft vorweg. Daher kann die Branche dabei helfen, von aktuellen Krisen nicht überrannt zu werden, sondern frühzeitig umzusteuern. Kreativschaffende stecken in der Krise niemals den Kopf in den Sand, sondern stellen sich agil auf neue Situationen ein.“
Fotos: Erik Gurzan, Graphic Recording: Florian Kasch
Megatrends Kreislaufwirtschaft und communitybasiertes Arbeiten
In den Impulsvorträgen zu den Schwerpunktthemen STADT:LAND:NETZ wurden diese Tendenzen vertieft erkundet. Andreas Flock vom Architekturbüro strahlwerk in Stralsund beschrieb das neue Prinzip der „Zirkularität“ im Bauen:
„Städte werden heute nicht mehr neu gebaut, sondern neu erfunden – auf Basis dessen, was vor Ort vorhanden ist.“
Verwaltung, Politik und Kreativwirtschaft sollten stärker zusammenarbeiten und den Akteuren vor Ort in moderierten Prozessen mehr Raum geben. Die Journalistin Manuela Heberer zeigte anhand ihrer Recherchen für das VielSehn-Magazin, wie stark Kreativunternehmer:innen auch die ländlichen Räume in MV prägen:
„Kreativschaffende brauchen Freiräume, die sie eigenständig gestalten und entwickeln können.“
Martin Horst von der Crossmedia-Agentur 13° zeigte anhand von NFT (Non-Fungible Tokens) und Blockchain-Technologie, wie Produzent:innen in der Plattformökonomie neue Geschäftsfelder finden:
„Wir sind eine mutige Branche, wir geben einen Output, dessen Wert letztlich sehr subjektiv ist. Digitale Kunstwerke werden teilweise mit mehreren Millionen bewertet und gehandelt. Der Wert entsteht jedoch nicht nur durch das Werk, sondern durch die Community, die den Handel begleitet und teilt.“
Präsentationen zum Download:
STADT: Nehmen was da ist – partizipative Stadtentwicklung / Andreas Flock und Oliver Mühle, strahlwerk Stralsund
LAND: Die Kreativbranche als Schlüsselbranche für Unternehmensansiedlungen in ländlichen Räumen / Manuela Heberer, VielSehn Magazin
„Kreativwirtschaft ist die Lösungsbranche in der Zeit des Wandels“
Moderatorin Kristina Koebe von Rotorwerk Project Services diskutierte im Interview mit Gästen aus Brandenburg, Sachsen und Berlin, wie die länderübergreifende Zusammenarbeit in der Branche gestärkt werden kann.
„Wirtschaftsförderung muss sich wandeln“, forderte Till Meyer, Koordinator Digitalisierung / Smart Country bei der Wirtschaftsförderung Brandenburg (WFBB). „Die Stadt-Land-Interaktion durch bottom-up entstehende Kreativorte bringt in Brandenburg derzeit den größten Zuwachs an Unternehmen und ist wesentlich effektiver als klassische Ansiedlungskampagnen. Die jungen Leute, die heute auf Jutesäcken und Europaletten sitzen, sind die Business Leader der Zukunft“, prognostizierte er.
„Die Kreativwirtschaft ist die Lösungsbranche in der Zeit des Wandels, sie schafft neue Jobs, neue Dienstleistungen und neue Produkte – gerade in Arealen, die von traditionellen Branchen derzeit verlassen werden“, stellte Christian Rost vom Kompetenzzentrum Kreatives Sachsen fest: „Wir sollten aus den Krisen lernen, dass mehr in Zukunftsbranchen investiert werden sollte, und nicht nur in den Erhalt traditioneller Branchen.“
Die Wirtschaftsförderstrategie in Sachsen, Beratungs-, Innovations- und Vernetzungsformate durch ein selbstorganisiertes Kompetenzzentrum direkt mit und aus der Branche heraus zu entwickeln, sei nach sieben Jahren erfolgreicher Arbeit von Kreatives Sachsen durch die sächsische Landesregierung bestätigt und die Branchenförderung ausgeweitet worden.
„MV braucht seine Kreativen“, ergänzte Stefanie Raab vom coopolis – Planungsbüro für kooperative Stadtentwicklung: „Die Methode Cross-Innovation, um andere Branchen durch Kooperation mit der Kreativbranche zukunftsfähig zu wandeln, sollte noch stärker ausgebaut werden.“ Dazu brauche es mehr Vernetzung von bottom-up gewachsenen Communities in der Fläche: „Das Säulen-Denken, das Verwaltung, Wirtschaft und Kreativschaffende trennt, ist nicht mehr zeitgemäß.“
Fotos: Erik Gurzan, Graphic Recording: Florian Kasch
Workshops als Stadt-Erkundungstouren zu Innovationsorten in Rostock
Die Workshops fanden bei der Landesbranchenkonferenz KREATOPIA erstmals als Outdoor-Erkundungstouren durch Kreativ-Standorte in Rostock statt – vom landesweit größten Kreativquartier Warnow Valley und dem Kulturzentrum FRIEDA 23 bishin zu neu entstehenden Popup-Flächen wie K17, in dem Kreativschaffende ihre Produkte vermarkten. Hier konnten die Konferenzteilnehmenden direkt erleben, wie in leeren Räumen durch Zusammenarbeit in der Community Innovation entsteht.
Europaweites Leitthema Fair Pay – Initiative für faire Honorare
In einem leerstehenden Feinkostgeschäft fand der abschließende Workshop von Kreative Deutschland zum Thema „Faire Honorare und soziale Absicherung“ statt. Im Dialog der Branchenverbände mit den Bundesländern werden aktuell Handlungsempfehlungen erarbeitet für ein abgestuftes Honorarsystem für Solo-Selbständige, das Qualifikationen und Erfahrungen berücksichtigt.
„Der Diskurs Fair Pay wird derzeit europaweit als Leitthema geführt“, berichtet Helge-Björn Meyer vom Bundesverband freie darstellende Künste e.V. „Daher ist die Chance groß, eine branchenübergreifende Lösung für alle Genres und einen Orientierungsrahmen für alle freien Kreativschaffenden zu finden. Auch die Politik will keine Insellösungen für einzelne Branchen.“
Das Haus der Selbstständigen (Leipzig) plant zum Abschluss der aktuellen Kampagne für faire Honorare von Solo-Selbständigen einen Aktionstag aller Verbandspartner im November in Berlin.
„Erst wenn Transparenz über tatsächlich gezahlte Honorare entsteht, können wir Solo-Selbständige besser beraten, wie sie ihre Tagessätze adäquat kalkulieren können“, appelliert die Arbeitssoziologin Dr. Vesna Glavaski vom Haus der Selbständigen.
Die große Honorarumfrage für Solo-Selbständige läuft bis 13.Oktober 2022: www.so-los.de
Fotos: Erik Gurzan, Graphic Recording: Florian Kasch
Fotodokumentation der Workshop-Ergebnisse
Dokumentation Karolin Quandt: Zukunft:Arbeit – Zusammenarbeit in Freelancer-Netzwerken (Download hier )