Die Kunst der Kooperation – vom Einzelkämpfer zum Teamplayer
KreativLab#8 i m Rahmen der Tagung Stadt|Land|Kunst – Kreative Impulse für die Belebung öffentlicher und ländlicher Räume
Kulturforum Pampin, 13.9.2017, 10-18 Uhr
Wieviel Kunst braucht der öffentliche Raum? Und wie schmieden Kreativschaffende in ländlichen Räumen erfolgreiche Kooperationen für ihre Projekte? Diese Themen erkundeten wir in der Tagung mit KreativLab am 13.9.2017 im Kulturforum Pampin.
Hier findet Ihr die Dokumentation zum Download
Impulsgeber v.l.n.r.: Wolfgang Vogt, Rainer Düvell, Michael Körner, André van Uehm
Teil I: Kunst und Kultur im öffentlichen Raum
Als Gastreferenten zeigten Rainer Düvell vom Münchner sculpture network e.V., der Woseriner Fotograf Andre van Uehm vom Künstlerbund MV und Michael Körner vom Landeskulturrat mit wegweisenden Beispielen aus der künstlerischen Praxis auf, welche kreativen Impulse von der Kunst im öffentlichen Raum ausgehen.
„Trotz einer Landesrichtlinie, dass ein festgelegter Prozentsatz bei Bauprojekten der Landesliegenschaften in Kunst am Bau fließen soll, gibt es viele Bauprojekte, bei denen das nicht geschieht“, fasst Prof. Wolfgang Vogt vom Kulturforum Pampin zusammen: „Das ist ein Skandal, der dringend behoben werden muss.“
Die Richtlinie in Mecklenburg-Vorpommern wurde seit Jahrzehnten nicht novelliert. Der Kreiskulturrat Ludwigslust-Parchim bot an, einen Vorschlag für die Novellierung zu erarbeiten, der dann gemeinsam mit allen Kreiskulturräten und dem Landeskulturrat beraten, verabschiedet und dem Finanz- und Kulturministerium vorgestellt werden soll.
„Ziel sollte sein, dass bei jedem öffentlichen geförderten oder finanzierten Bauprojekt Mittel für Kunst im öffentlichen Raum bereitgestellt werden“, kündigt Wolfgang Vogt an. „Damit sollten nicht nur Kunstprojekte an Neubauten finanziert werden, sondern die Mittel können in einen flexibel genutzten Fonds fließen, der Kunstprojekte zur nachhaltigen Entwicklung des öffentlichen Raums fördert. Künstlerinnen und Künstler gehen mit offenen Augen durch unsere Städte und Dörfer, sie arbeiten in vielfältigen künstlerischen Genres gegen die zunehmende Unwirtlichkeit der öffentlichen Räume. Sie können eine Hauptrolle spielen, um die Lebensqualität des öffentlichen Raums für alle Bürger wiederherzustellen.“
Dieser Vorschlag fand allgemeine Zustimmung, Wolfgang Vogt wird mit den Kreiskulturräten eine Vorlage für den Landeskulturrat einbringen.
Rainer Düvell, sculpture network e.V. – hier seine Präsentation
Teil II: Die Kunst der Kooperation – vom Einzelkämpfer zum Teamplayer
Gerade in ländlichen Räumen ist es für viele Kreativschaffenden schwer, auf ihre Arbeiten und Projekte, Produkte und Dienstleistungen aufmerksam zu machen. Oft sind Kooperationen der Schlüssel zum Erfolg. Hier die wichtigsten Erfolgsfaktoren, die im Workshop ermittelt wurden:
Potenziale erkennen und kommunizieren: Was gibt es vor Ort? Viele Kreative, viel Platz und Ruhe zum Arbeiten („Raumwohlstand“, Immobilien-Datenbank), ehrenamtliches Engagement, intrinsische Motivation (Wille zum „Anpacken“), Kristallisationsfiguren
Schlüsselpersonen vor Ort mit ins Boot holen: z.B. Bürgermeister, Landräte, City- und Regionalmanager, Immobilieneigentümer, Kirche ► Welche Partner kommen als Projektträger in Frage?
vorhandene Netzwerke nutzen (z.B. Gutshäuser, Kreative MV, Kreiskulturräte, Netzwerk Seenplatte)
heterogene lokale Netzwerke bilden, in denen sich Kompetenzen, Kontakte, Lebenswelten ergänzen (nicht nur ‚im eigenen Saft schmoren‘), persönliche Treffen organisieren (regelmäßiger Austausch), Facebook-Gruppe, mittelfristig: Kreativ-Cluster, Fördervereine
Intermediäre einbinden, die sowohl die Sprache der Kreativen als auch der Politik und Verwaltung sprechen (z.B. Kreiskulturrat, Kreative MV, Beratungsangebote der Schule der Landentwicklung, Forum ländliche Entwicklung, Landgesellschaft, „Kümmerer“ / SEM-Stellen
Mittelfristig: politische Rahmenbedingungen verbessern – z.B. vereinfachte Förderkriterien für kreative Projekte, Netzwerkförderung, kreative Standortentwicklung in Wirtschaftsförderung einbeziehen, Ansiedlungsförderung für Kreativunternehmen
Konkrete Handlungsansätze
Es sind zahlreiche kreative Projektideen zur Regionalentwicklung ‚in der Pipeline‘, die bislang nicht realisiert werden konnten, weil sich kein kommunaler Projektträger findet (obwohl die Förderquote für Kommunen z.B. in LEADER-Programmen bei 90% liegt). Beispiel: Die Projektidee Kunst / Kultur am Fluss (Elde/Stör), bei dem attraktive dezentrale Kulturorte mit den Städten an Elde und Stör zu einem Festival+touristischen Route verbunden werden sollen. Hier wurde ein Treffen mit Henning Bombeck mit der Schule der Landentwicklung, den Kreativen Akteuren und den Kommunen verabredet. Wie Kristin Hormann von der LEADER LAG Warnow Elde Land darlegte, gibt es in den LEADER-Programmen bzgl kreativer Projekte noch viel Luft nach oben! Das sollte dringend intensiviert werden.
Hier geht’s zur Präsentation von Kristin Hormann
Tobias Woitendorf vom Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern e. V. regte an, dass Tourismus und Kulturschaffende die Kommunikation unter einer „Dachidee“ des Landes fokussieren: Wie wollen wir den ländlichen Raum in Zukunft gestalten? Welche zentrale Rolle hat Kultur für die positive regionale Identität? Welche regionale Identität haben wir überhaupt (Regionen vs Verwaltungseinheiten)?
Sabine Gollner: Künstlerkolonie Fichtelgebirge
Um Vergleiche zu anderen Regionen zu bekommen, hatten wir Sabine Gollner eingeladen, Medienproduzentin und Raumpionierin der Künstlerkolonie Fichtelgebirge .
Als Impulsstrategin initiiert Sabine Gollner Pilotprojekte in Architektur und Stadtplanung, Film und Kunst. Ihr Kulturtourismus- und Stadtentwicklungsprojekt, die QR-Tour Bad Berneck & Goldkronach, wurde mit dem Tourismuspreis Bayern ausgezeichnet. 2016 entwickelte sie mit den Berliner Stadtplanern Coopolis ein integriertes Stadtentwicklungskonzept für Bad Berneck im Fichtelgebirge. Im Auftrag des Amts für Ländliche Entwicklung initiiert sie als Projektleiterin 2017 einen Coworking Space im ländlichen Raum.
“Ich habe lange in England gelebt”, berichtet Sabine Gollner. „Dort ist die Situation ganz anders: Wer was auf sich hält, zieht aufs Land. Künstler können sich die dortigen Immobilien nicht leisten.“
Hier in Deutschland wird das Potenzial von Künstlern zur Belebung und Sanierung ländlicher Räume erst langsam wahrgenommen. Im Fichtelgebirge arbeiten Leerstandsmanager mit dem Kreativ-Netzwerk von KüKo zusammen: „Wir haben riesiges Potenzial, für das zunächst einmal ein Überblick geschaffen werden muss. Statt von ‚Leerstand‘ sprechen wir inzwischen von ‚Raumwohlstand‘, denn zunehmend kommen Kreative aus den Metropolen zu uns, die sich die steigenden Mieten dort nicht mehr leisten können und bei uns eine Community suchen. So wächst unser Netzwerk stetig.“ Wie Ismael Conde Ruiz , Silberschmied und Designer, der aus Berlin nach Selb kam: „Ich war überrascht, hier auf eine so vielfältige Kulturszene zu treffen. Das Netzwerk war mein erster Ankerpunkt in der Region, so dass ich mich orientieren konnte.“
Sabine Gollner und Ismael Conde Ruiz
Aus dem Netzwerk werden zahlreiche Gemeinschaftsprojekte realisiert, wie die QR-Code Tour, an der zahlreiche Künstler, Fotografen, Filmemacher, Webdesigner, Programmierer zusammenarbeiten, um die Schönheit und Geschichte der Region zu vermitteln: „Die Einheimischen interessieren sich nicht unbedingt immer für Kunst, aber über das Thema regionale Geschichte können sie ihr Wissen einbringen. Region lebt auch vom Erzählen über Plätze und Gebäude.“ Wie das Stadtmuseum, das 10 Jahre leer stand und durch das Projekt neue Aufmerksamkeit erhielt.
Viele Potentiale werden erst durch den Blick der Kreativen entdeckt. Mit Hilfe des Amtes für ländliche Entwicklung startete KüKo ein Pilotprojekt, um eine ehemalige Pappenfabrik in Bad Berneck neu zu bespielen: die Schaltzentrale , mit einem spannenden Mix aus Coworking Space, Gewerbezentrum, Werkstätten und Logistikflächen.
Link zur Präsentation: https://kreativemv.files.wordpress.com/2017/10/sabine-gollner_kuenstlerkolonie-fichtelgebirge_online.pdf
Judith Kenk: Netzwerk Seenplatte
Ähnliche Entwicklungen gibt es in MV, und wir als Kreative MV versuchen, durch die KreativLab-Reihe das große Potenzial sichtbar zu machen und neue lokale Netzwerke anzuregen. Judith Kenk aus Malchow zeigte, wie schnell sich durch eine rege Social Media-Kampagne, engagierte Kreative und die Einbindung interessierter kommunaler Vertreter (Wirtschaftsförderung Malchow) ein lokales Netzwerk installieren lässt. Innerhalb von wenigen Monaten mit mehreren Netzwerktreffen gibt es erste Kooperationen und Ideen für einen Co Working Space als Innovations-Inkubator. Fazit: Kreative Netzwerke für den Innovationstransfer funktionieren auch in Kleinstädten und Dörfern!!
Hier findet Ihr Judiths Präsentation
Franz N.Kröger: Kunsthalle Kühlungsborn
Der Geschäftsführer der Kunsthalle Kühlungsborn Franz N. Kröger betonte, dass Netzwerke eine wichtige Voraussetzung zur Weiterentwicklung und überregionalen Ausstrahlung der kreativen Einzelinitiativen.
Hier ein Einblick in die Ausstellungen in Kühlungsborn.
Unsere Partner
Die KreativLabs finden im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit statt und werden von der Kreative MV – dem Netzwerk für Kultur- und Kreativwirtschaft Mecklenburg-Vorpommern – durchgeführt. Wir danken dem Kulturforum Pampin für die wundervolle Gastfreundschaft an diesem inspirierenden Ort!